GeFühle fetzen

Weiter, immer weiter machen


Finn

14 Jahre – mag es gern ordentlich


«Nichts in meinem Zimmer darf schief sein. Das bringt Unglück.»

Ich weiß nicht mehr, wann das letzte Mal Freunde bei mir waren. Ich will das nicht mehr. Die stören und machen alles unordentlich.

Auch meine Eltern dürfen nicht in mein Zimmer. Wenn sie etwas von mir wollen, müssen sie in der Tür stehen bleiben. Bei mir hat alles seinen Platz. Nichts in meinem Zimmer darf schief sein. Das bringt Unglück.

Ich habe es schon ein paar Mal erlebt: Da lag die Zahnbürste morgens schief auf dem Regal oder meine Hausschuhe lagen irgendwo rum und standen nicht an der Tür. An solchen Tagen geht alles schief, ich bekomme dann eine schlechte Note oder streite mich mit meiner Mutter und alles ist durcheinander. Ich nenne das die schiefen Tage. An denen habe ich echt Angst, dass irgendwas passiert.

Ich habe einen Teppichläufer in meinem Zimmer mit Fransen dran. Die kämme ich immer. Auch die Schlüssel an meiner Tür und meinem Kleiderschrank müssen immer genau waagerecht stehen, sonst ist alles zerstört.

Meine Stifte auf dem Schreibtisch liegen immer ganz gerade, der Winkel zur Kante ist genau 90 Grad. In der Schule lachen die anderen manchmal über mich, aber das ist mir egal. Dafür hat bei mir alles seine Ordnung. Ich mag kein Chaos. Es macht mich nervös, und wenn ich nervös bin, bekomme ich Angst. Dann hilft es mir, die Dinge wieder richtig hinzulegen. Das beruhigt mich und ich komme über den Tag.

Kati, Freundin

Da lag die Zahnbürste morgens schief auf dem Regal oder meine Hausschuhe lagen irgendwo rum und standen nicht an der Tür. An solchen Tagen geht alles schief, ich bekomme dann eine schlechte Note oder streite mich mit meiner Mutter und alles ist durcheinander.

Du glaubst doch nicht wirklich, dass du schlechte Noten bekommst, wenn deine Zahnbürste schief liegt, oder? Das ist doch totaler Quatsch! Eine Freundin meiner Schwester kann nicht auf Linien treten, weil sie Angst hat, dass dann was Schlimmes passiert. Das ist auch Blödsinn, aber sie kann einfach nicht anders. Es ist wie ein Zwang. Vielleicht ist es bei dir auch sowas?

Vater

Auch meine Eltern dürfen nicht in mein Zimmer. Wenn sie etwas von mir wollen, müssen sie in der Tür stehen bleiben. Bei mir hat alles seinen Platz.

Hey Finn, Ordnung ist das halbe Leben, habe ich als Kind immer zu hören gekriegt. Aber eben nur das halbe Leben. Ich möchte dir dabei helfen, was aus der anderen Hälfte zu machen. Dazu müssen wir zunächst herausfinden, ob wirklich etwas Schlimmes passiert, wenn wir mal den einen oder anderen Gegenstand verschieben. Wenn ich darf, höre ich mit dir dabei zusammen eine entspannende Musik. Die hilft, das blöde Gefühl dabei auszuhalten. Aber ich bin nicht sicher, ob wir das ganz alleine hinkriegen. Deshalb würde ich gerne mit dir zu einem Psychotherapeuten gehen, um herauszufinden, wie dir sonst noch geholfen werden kann.

Carla M., Psychotherapeutin

Ich weiß nicht mehr, wann das letzte Mal Freunde bei mir waren. Ich will das nicht mehr. Die stören und machen alles unordentlich. Ich mag kein Chaos.

Wenn alles in deinem Zimmer immer so ist, wie du es organisierst, dann hast du die Kontrolle. Das fühlt sich bestimmt gut an. Aber du merkst ja selbst, dass du dafür alle anderen Menschen von dir fernhalten musst. Bist du sicher, dass du das auf Dauer wirklich willst? Keine Freunde und auch sonst niemanden, der bei dir sein darf?

Ab einem bestimmten Alter gerät alles durcheinander, die Gefühle, die Gedanken, das Verhältnis zu sich selbst und zu den Menschen, mit denen man zu tun hat. Das lässt sich nicht verhindern. Aber auch Angst vor Veränderung ist beherrschbar. Allerdings nicht durch äußerliche Ordnung. Diese Idee hat sich in dir festgesetzt und es fällt dir schwer, sie loszulassen. Dafür brauchst du Unterstützung. Die findest du bei einem Jugendlichenpsychotherapeuten. Der kennt sich aus mit der Angst, die man haben kann, wenn sich in einem und um einen herum alles zu verändern beginnt. Und er wird dir helfen, mit dieser Angst fertigzuwerden, ohne deine Freunde alle rauszuschmeißen.

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