«Das Schlimmste ist jetzt vorbei, glaube ich. Aber trotzdem fühle ich mich oft tierisch allein und weiß nicht, mit wem ich reden soll.»
Wenn ich meine neue Adresse irgendwo angebe, verschreibe ich mich manchmal noch. Und will erst die alte angeben. Das ist zwar unsere neue kleine Wohnung, aber noch kann ich mich nur schwer daran gewöhnen. Wenigstens ist es jetzt wieder friedlich zu Hause und ich komme nicht mit eingezogenem Kopf durch die Tür, in der Angst, dass wieder die Fetzen fliegen.
Ich dachte immer, dass wir als Familie doch ohnehin nur ein paar Jahre zusammen haben, bis meine Schwester und ich ausziehen. Noch nicht mal die haben wir jetzt mehr. Ich frage mich manchmal, was das noch bringt, nur mit meiner Mutter auf Familie machen, wo doch klar ist, dass das für sie mit meinem Vater echt vorbei ist.
Vorbei sind aber auch die ewigen Streitereien, das Rumgeschreie durch das ganze Haus, mein Vater, der nicht mehr spricht, mit niemandem. Meine Mutter, die nur noch heult und schimpft auf ihr Leben – also auch auf uns!
Natürlich ist das nicht spurlos an mir vorübergegangen. Ich war nur noch launisch, depri, hab viel geheult. Und hab es vermieden, viel zu Hause zu sein. In der Zeit hab ich viel Mist gebaut, bin nachts abgehauen, hab mich besoffen und die Schule geschwänzt. Mein Vater und meine Mutter waren zum Glück zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um etwas zu bemerken.
Als mein Vater dann von zu Hause ausgezogen ist, stand ich nur noch neben mir. Vielleicht hätte ich mehr mit den beiden reden sollen. Und ihnen klarmachen, wie sehr meine Schwester und ich sie beide brauchen. Mein Vater meidet nicht nur meine Mutter, sondern auch mich. Er ruft nicht an und schreibt kaum. Warum verhalten sich Erwachsene wie kleine, trotzige Kinder? Warum kann man nicht mal seinen Stolz überwinden und aufeinander zugehen?
Das Schlimmste ist jetzt vorbei, glaube ich. Aber trotzdem fühle ich mich oft tierisch allein und weiß nicht, mit wem ich reden soll. Ob ich selbst mal eine eigene Familie haben will? Keine Ahnung. Meine Angst ist im Moment groß, das Ding genauso gegen die Wand zu fahren, wie es meine Eltern getan haben.